Kreative, Marketing und Medien reagieren auf ChatGPT
Begeisterung und Ängste
Derzeit sind wir mitten in einem Hype. Was durchaus verwundern kann. Denn seit vielen Jahren, sogar Jahrzehnten wird daran geforscht und entwickelt. Und plötzlich ist sie präsent und in aller Munde: Die künstliche Intelligenz. Dieses beeindruckende Dialogsystem ist die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs und zeigt sehr schön die Stärken und Schwächen heutiger KI-Lösungen. ChatGPT ist dabei keine sogenannte Narrow AI-Lösung, die nur eine spezifische Aufgabe löst, sondern versucht sich als Texter und Autor, als Analyst und Redenschreiber, als Programmierer und im Zusammenspiel mit weiteren Lösungen auch als Kreativer.
Und je nach Thema und Aufgabenformulierung sind die Ergebnisse überraschend. Oft überraschend gut, manchmal überraschend banal oder gar falsch. Denn auf den „Prompt“ kommt es an und natürlich auf die Datenbasis, mit der das KI-System im Wege des Maschinellen Lernens trainiert worden ist. Und natürlich ist das Thema „Künstliche Intelligenz“ auch für Kommunikatoren und Marketeers ein wichtiges und relevantes Thema. Es geht um die Zukunft ihrer Profession und welche Rolle KI-Lösungen dabei einnehmen werden. Werden die Nachfolger und Verwandten von ChatGPT ein hilfreiches und smartes Werkzeug, eher fleißige Kollegen, die entlasten oder gar Nachfolger und Konkurrenten?
Schöne neue Welt oder Dystopie?
In Fachkreisen und der Wissenschaft erleben wir seit Jahren eine Debatte über Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz und natürlich auch über rechtliche und ethische Aspekte. Die Politik hängt weit hinter dem technologischen Fortschrittstempo hinterher und scheint überrascht - und in der breiten Öffentlichkeit beobachten wir sehr binäre Reaktionen. Begeisterung und Ängste stehen sich gegenüber. Dabei wird übersehen, dass letztendlich wir als Gesellschaft die Regeln und Rahmenbedingungen festlegen. Wird dies verpasst, dann gelten die Spielregeln der Anbieter, die Milliarden investiert haben und umso mehr verdienen wollen. Und das geht umso besser, umso disruptiver das vermarktete Einsatzszenario ist. Die Zukunftsvision einer schönen neuen Welt, in der wir Routinearbeiten den Maschinen überlassen und uns an höherer Zufriedenheit und Lebensqualität erfreuen, kann dann schnell einer Dystopie weichen.
Und dann gab es vor wenigen Tagen einen offenen Brief zahlreicher Experten für Künstliche Intelligenz, die auf potenzielle Risiken für die Gesellschaft und Menschheit hinweisen und fordern, vorübergehend das Training der KI-Systeme zu unterbrechen, bis wir uns auf wichtige Regeln und Rahmenbedingungen geeinigt haben. Denn natürlich weiß die Fachwelt, das ChatGPT in seinem derzeitigen Modell GPT-4 wirklich erst die schon eingangs zitierte Spitze des Eisbergs ist. Und natürlich geht es bei der KI nicht nur um die Frage, wer uns Textarbeiten abnimmt, sondern der Einfluss auf unser Leben umfasst alle Aspekte. Von der Bewerberauswahl über die Kreditwürdigkeit, von der Gesundheitsdiagnose bis hin zu tödlichen Entscheidungen in Kriegsszenarien. Um nur ein paar zu nennen.
Wertschätzung für Berufe und Tätigkeiten
Und Kommunikatoren und Marketingverantwortliche stehen mit ihren Unternehmen oder Institutionen mitten in dieser Gesellschaft, haben den Blick nach außen wie nach innen und sollten sich daher intensiver mit dem Thema Künstliche Intelligenz beschäftigen – nicht nur mit dem unmittelbaren Einfluss auf die tägliche Arbeit. Wir werden in den nächsten Monaten und Jahren eine intensive Debatte und Entscheidungen zu ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die KI sehen und diesen Rechts- und Ethikrahmen gilt es dann auch in den Unternehmen umzusetzen und sicherzustellen oder entsprechende Entscheidungen der Unternehmensleitung beratend zu begleiten. Und natürlich sollte man sich Gedanken machen, welchen Einfluss die KI auf das Jobangebot und die künftigen beruflichen Chancen in PR, Kommunikation und Marketing hat.
Liest man dazu Social-Media- oder Fach-Beiträge in den letzten Wochen, fällt auf, dass unmittelbar kreative Branchen wie Fotografen, Videokünstler und Designer sich wesentlich mehr Sorgen machen als meinungsstarke Kommunikationskollegen, die sich eher fasziniert einlassen. Und rein technologisch betrachtet ist es ja auch wirklich faszinierend, was der heutige Stand an KI-Tools mit der richtigen Aufgabenstellung „ausspuckt und generiert“. Und das ist erst der Anfang. Doch bleibt es dabei, dass KI-Lösungen unsere Werkzeuge sind? Und wie ändert sich der Blick auf die Wertschätzung für Berufsfelder?
Betrachtet man die aggressive Werbung für alle möglichen KI-Tools, die derzeit im Wochenrhythmus präsentiert werden, dann dominiert die Botschaft, dass gute Texte, Bilder, Konzepte, Analysen und Präsentationen ab sofort keine Frage von Talent, Ausbildung und Erfahrung mehr sind – sondern die, das richtige Tool zu abonnieren. Es wird teilweise gar nicht mehr argumentiert, dass KI-Features eine Software zum noch leistungsfähigeren Werkzeug für Profis macht, sondern erste Werbeslogans lauten: Sie brauchen keine Agentur, keinen Texter, keinen Grafiker, keinen Videoexperten mehr. Bald könnten sich auch Finanz- und Personalvorstände fragen – braucht es eigentlich noch umfangreiche Kommunikationsabteilungen und hohe Budgets? Natürlich wissen wir, dass das -zumindest derzeit- Unsinn ist.
Und unter KI-Fachleuten gibt es derzeit die übereinstimmende Meinung, dass es Knowhow und Wissen braucht, um hervorragende Ergebnisse zu generieren und vor allem diesen Output zu bewerten. Aber ist der Geist erst einmal aus der Flasche, könnte man sagen, dann wird es wieder schwer ihn einzufangen. Es wird wichtig sein, die Wertschätzung für Berufe und Tätigkeiten zu wahren. Und das ist keine Selbstverständlichkeit. Daher macht es Sinn, dass wir uns intensiv mit KI beschäftigen und den Veränderungsprozess aktiv begleiten. Aussitzen oder Wegducken wird nicht funktionieren.
Dieser Debattenbeitrag ist inspiriert von dem Themen-Special "Künstliche Intelligenz" beim Podcast Turtlezone Blended Communication: Zum Podcast
https://www.turtlezone.de/common/episoden-blendedcommunication/kuenstliche-intelligenz/