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Bosch und dm setzen intern auf eigene KI
Oliver Schwartz Sonntag, 27. August 2023 von Oliver Schwartz

Unternehmenseigene KI-Chatbots im Trend?

Bosch und dm setzen intern auf eigene KI

Seit dem das dialogorientierte ChatGPT von OpenAI in den letzten Monaten große Aufmerksamkeit auf die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz gelenkt hat, beschäftigen sich auch Unternehmensverantwortliche mit der Frage, wie Sie die Chancen der KI nutzen und die teils diffusen, teils ganz realen Risiken vermeiden können. Manche Großunternehmen sahen sich sogar recht schnell zu Verboten gezwungen. Andere wollen erst einmal beobachten, wie ihre Mitarbeiter mit den neuen Werkzeugen umgehen. Im Idealfall wird dies mit einer gut kommunizierten Unternehmens-Richtlinie zum ethisch und rechtlich korrekten Umgang mit KI begleitet. Spätestens mit dem bevorstehenden europäischen AI Act sollten Policies Pflicht sein. Denn die unternehmerische Nutzung von KI wird dann konkreter formulierten Regeln unterworfen sein. Doch wie bei jeder breit vermarkteten Technologie, die sich jeder Mitarbeiter auch privat leisten und abonnieren kann, stellt sich natürlich die Frage der Sinnhaftigkeit von Verboten und der Möglichkeit einer Kontrolle.

Auch in vielen anderen Bereichen ist die Erfahrung, dass man besser erklärt, informiert und motiviert als verbietet. Das Surfen am Arbeitsplatz war vor Jahren so ein Thema, dann Social Media. Und klar lassen sich bestimmte sensible Webseiten auf der Firewall für Mitarbeiter sperren, aber eine verdachtsunabhängige Überwachung der Aktivitäten ist, anders als in den USA, zum Glück nicht zulässig. Auch der Versuch Mitarbeiter mit modernen, an Facebook oder Linkedin erinnernden, Intranet-Lösungen davon abzuhalten, regelmäßig -auch mit Kollegen- auf Social Media unterwegs zu sein, war nicht sonderlich erfolgreich. Heute verstehen zumindest größere Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Corporate Influencer und haben frühere Bestrebungen nach einem Bann von Social Media längst vergessen oder zu den Akten gelegt. Im Gegenteil. Dann kam die Covid 19 Pandemie und die überfällige Entdeckung des Homeoffice auf breiter Front. Und spätestens seither muss jedem Unternehmen klar sein, dass man zwar die Installationsrechte auf Firmennotebooks einschränken und IP-Protokolle, Ports und Aktivitäten auf Firewallebene blockieren kann - aber der private Computer der Mitarbeiter steht direkt daneben. Und nun KI! Und wie damit umgehen?

Wir haben auf dem ChatGPT Expertenforum in den letzten Wochen schon einige Artikel, unter anderem einen Gastbeitrag von Dr. Clara Guerra, zum Umgang mit KI in Unternehmen veröffentlicht. Heute soll es konkret um eine spannende Entwicklung gehen, denn jüngst haben unter anderem die beiden Großunternehmen Bosch und dm jeweils unternehmenseigene KI-Chatbots angekündigt: BoschGPT und dmGPT. Ist das ein neuer Trend? Dieser Beitrag gibt erste Antwortworten und gibt Impulse für eigene unternehmerische Überlegungen.

Zusammenarbeit von Bosch mit Aleph Alpha

In einigen Medien lasen sich diese Ankündigungen so, als wollten Bosch oder dm selber vollständige Sprachmodelle entwickeln um in Konkurrenz zu Open AI zu treten. Dies entspringt wohl eher der Phantasie und wäre auch unternehmerisch wenig sinnvoll. Kaum ein Unternehmen wird seine IT beauftragen über viele Mannjahre hinweg ein unternehmenseigenes Google zu entwickeln oder Word und Excel neu zu programmieren. Und auch in die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz samt derzeit populärer Sprachmodelle wie GPT 3.5, GPT 4 oder Llama 2 sind viele Jahre und viele Milliarden geflossen. Dennoch scheint sich hartnäckig das Bild zu halten, dass der Open AI Gründer Sam Altman letztes Jahr mal eben in einer Silicon Valley Garage die KI erfunden hätte. Unternehmen wie Bosch oder dm, und auch einigen mehr, geht es nicht primär darum hier etwas Eigenes von Null zu entwickeln, sondern vielmehr die KI in die eigene, gemanagte, IT-Infrastruktur einzufügen und sich damit neben mehr Kontrolle und Sicherheit auch die Möglichkeit zu eröffnen, ein auf ihr Unternehmen maßgeschneidertes Framework an KI-Funktionalitäten zusammenzustellen. Und bei Bosch können eigene, KI-basierte Produkte sogar ein erhebliches Umsatzpotenzial darstellen.

Den Informationen zu Folge setzt dm dabei auf GPT 3.5 als LLM-Grundlage und Bosch auf das Sprachmodell des deutschen OpenAI-Wettbewerbers Aleph Alpha. Andere Unternehmen könnten künftig auch mit Llama 2 von Meta als Open Source Lösung liebäugeln. Natürlich wird betont, dass man jeweils etwas Eigenes schaffen will – also nicht nur zum Beispiel lediglich ein ChatGPT mit dm-Logo auf der Login-Seite. Und in der Tat verfügen beide Unternehmen, ähnlich wie viele Großkonzerne, über einen Datenschatz, der in Kombination mit den zugrundeliegenden Sprachmodellen und klar umrissenen, Anwendungen unterschiedlichster Natur, zu einem starken Wettbewerbsvorteil werden kann. Da sich die Geschäftsaktivitäten von Bosch und dm deutlich unterscheiden, sind natürlich auch die in Frage kommenden Anwendungen unterschiedlich. Die Vision dürfte sich aber ähneln, nämlich die interne Effizienz zu steigern, Prozesse mit Hilfe von KI zu optimieren und dabei den Mitarbeitern interne Werkzeuge an die Hand zu geben, bei denen sensible Daten nicht ständig die eigene Schutzzone verlassen und auf weltweiten Cloudservern von OpenAI & Co. Verarbeitet werden. Etwas simplifiziert formuliert soll KI aus einer öffentlichen Cloud wieder in eine Art „On Premise“ Umgebung überführt werden -heutzutage oft eine unternehmenseigene Cloud- und die eigenen, vorhandenen Big Data Schätze nicht in unkontrollierbare AI-Welten abfließen, sondern mit eigenen Spiel- und Schutzregeln noch besser genutzt werden. Damit verbunden lassen sich zudem viele KI-Erfahrungen sammeln und auch die bald obligatorischen Unternehmensregeln zusammen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickeln. Oder auch eigene, ki-unterstützte, Produkte und Services entwickeln.

Prinzip "Human in the Loop"

„Wir bei dm-drogerie markt haben nun die Gelegenheit, uns als Vorreiter im Bereich künstliche Intelligenz in der Handelslandschaft zu positionieren und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen sicheren Umgang mit dem KI-Chatbot zu bieten!“

Roman Melcher, Geschäftsführer dm-drogerie markt GmbH + Co.KG (dmTECH)

Wer jetzt handelt, hat bald einen großen Vorsprung!

Wie umfangreich und breit diese unternehmenseigenen Chatbots gleich zu Beginn die Nutzung öffentlicher, cloudbasierter KI-Tools ersetzen können und sollen, sei einmal dahingestellt. In jedem Fall werden von Beginn an die hauseigene Softwareentwicklung und das Produktmanagement massiv profitieren. Der Rest wird sich ebenso dynamisch entwickeln wie die gesamte Künstliche Intelligenz. Aber wer jetzt handelt und seine Erfahrungen sammelt, hat bald einen großen Vorsprung. Es bleibt jedoch zu erwarten, dass die Großunternehmen, deren Arbeitsplatz-IT auf Corporate-Lizenzen von Microsoft & Co. aufsetzen, das Augenmerk nicht auf solche KI-Anwendungen legen werden, die bald in jeder Office-Anwendung und jeder Branchenlösung integriert sind, sondern auf die Weiterentwicklung eigener, spezialisierter Lösungen und auf Anwendungen, die mit sensiblen und businesskritischen Daten umgehen. Das wiederum kann am Ende doch viele Mitarbeiter und viele Aufgaben betreffen.

Zwei ganz simple Beispiele, wie die KI bislang -ohne dass das Unternehmen etwas davon mitbekommt- zu einem Sicherheitsrisiko werden kann: Es gibt ein vertrauliches Produkt-Whitepaper und dieses soll mehrsprachig hausintern verteilt werden. Der Einsatz von Übersetzungs-Anbietern aus der öffentlichen Cloud, seit diesem Jahr ja auch alle mit dem Label „KI“ versehen, kann sensible Daten abgreifbar machen. Oder noch prägnanter: Es ist bei OpenAI und vielen anderen Anbietern bis heute nicht ganz transparent, inwieweit und wie umfangreich Prompts und Aufgaben der Kunden wieder in das Sprachmodell einfließen. Wenn nun ein Mitarbeiter sich der KI bedienen will, um eine tolle Zusammenfassung und ein hilfreiches Protokoll eines vertraulichen Firmen-Meetings anzufertigen, dann ist unklar, ob die Protokollinhalte nicht demnächst Teil der angelernten „Intelligenz“ von ChatGPT & Co. werden. Weitere noch viel sensiblere Beispiele gibt es zu genüge. Andererseits überzeugen Übersetzungs-Systeme heutzutage endlich mit überzeugender Leistungsfähigkeit und sind zudem rasend schnell. Und regelmäßige, vollständige Meetingprotokolle mit Zusammenfassung und Analyse sind sicher auch der Traum vieler Unternehmen. Wer will es motivierten Mitarbeitern hier verdenken, auf die KI zurückzugreifen? Die Lösung ist die Bereitstellung dieser Werkzeuge, aber in der eigenen IT-Infrastruktur und mit entsprechenden Schutzmaßnahmen.

Milliardenumsatz für Bosch mit KI-Lösungen in den kommenden Jahren.

„Im Bereich KI beginnt durch die technologischen Durchbrüche ein ganz neues Kapitel. Dieser Fortschritt wird nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche und auch Abläufe in Unternehmen beeinflussen. Dieses Potenzial wollen wir für Bosch nutzen – für unsere Kunden und unsere Mitarbeiter!“

Tanja Rückert, Chief Digital Officer der Robert Bosch GmbH

KI-Strategie ist Aufgabe der Geschäftsleitung

Der überwiegende Teil der gerade sehr marktschreierischen Anbieter der unterschiedlichsten, mehr oder weniger innovativen, KI-Anwendungen greift im Unterbau lediglich per API-Schnittstelle auf OpenAI-Server oder Betreiber vergleichbarer Sprachmodelle, zurück. Obendrauf wird im Benutzerinterface ein eigener Skin eingesetzt und mit Settings und Eingabemasken versucht, ein hochwertiges Ergebnis reproduzierbarer zu machen als die freihändische Prompt-Eingabe bei ChatGPT. Es gibt aber auch Branchenlösungen und Anwendungen, bei denen bestimmte, spezialisierte Sprachmodelle sogar lokal installiert werden. Auch ein kleines Videoproduktionsunternehmen kann das, in über 600.000 Stunden mehrsprachig antrainierte, Spracherkennungs-Modell Whisper von OpenAI vollständig auf einem Videoschnitt-Arbeitsplatz installieren und dann ohne Cloud- oder Internetzugriff Videos transkribieren lassen oder Untertitel erstellen. Übertragen auf das Thema dieses Beitrags zeigt dies sehr schön, dass es diverse -auch zum Teil parallele Formen der KI-Nutzung geben wird: Eine Software-As-A-Service Nutzung über die öffentliche Cloud. Die immer stärkere Integration von KI in etablierte Office- und Branchenlösungen. Der API-Zugriff auf die Server und Dienste von OpenAI & Co. – und das Installieren und Integrieren wichtiger KI-Werkzeuge und Lösungen in der Private-Cloud, On Premise im eigenen Rechenzentrum oder gar auf dem individuellen Rechner der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hierbei ist natürlich eine IT-Abteilung mit konkretem Fachwissen zu Installation und Sicherheit gefragt oder die Beratung durch externe IT-Experten. Die KI-Strategie selbst ist aber eindeutig Aufgabe der Geschäftsleitung. Es ist eine unternehmerische Entscheidung und sollte keinesfalls an die IT abgeschoben werden. Künstliche Intelligenz ist ein dermaßen relevantes Thema für alle Unternehmen, dass jeder Vorstand und Geschäftsführer sich intensiv und strategisch damit beschäftigen sollte.

Die Initiativen von Bosch und dm sind nicht die einzigen und werden auch nicht die letzten dieser Art sein. Sie sollten weniger verstanden werden als eine „Eigenentwicklung“ der Künstlichen Intelligenz, sondern vielmehr als clevere strategische und unternehmerische Entscheidung, die beiden Konzernen jeweils viele wertvolle Erfahrungen sowie Prozess- und Effizienz-Vorteile einbringen kann. Das können kleine und mittlere Unternehmen -sowie Freiberufler- sicher nicht in identischem Umfang stemmen. Aber sie können trotzdem den Impuls aufnehmen. Für Anwälte werden LegalTech-Anbieter von Kanzleilösungen helfen, bei Steuerberatern die DATEV und auch jede andere gute Branchenlösung sollte nicht nur versuchen, Kunden im SAAS-Modell auf die eigenen Cloudserver zu bringen, sondern auch Unternehmen dabei helfen, eine eigene, gemanagte KI-Infrastruktur einzurichten. Eine Trend-Prognose ist heute zu früh. Wir werden in Sachen Künstlicher Intelligenz noch einige Loopings auf der Achterbahnfahrt erleben. Aber zumindest ist schon eindeutig zu beantworten, was die falsche, unternehmerische Strategie ist: Ignorieren oder treiben lassen. Bosch und dm dagegen können Vorbild für viele Unternehmen sein.


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