Wie KI zur neuen Waffe Pekings wird
Chinas Trojanisches Pferd
Die rasante Entwicklung Chinas bei Künstlicher Intelligenz in den letzten Jahren wirft Fragen auf: Profitiert China bei der KI-Forschung von seiner autoritären Staatsform? Und falls ja, was sind die Implikationen für westliche Demokratien?
Chinesische Internetplattformen wie Alibaba, TikTok oder Shein haben die westlichen Märkte mit innovativen Geschäftsmodellen im Sturm erobert. Möglich wurde dies, weil sie in China weitgehend ungehindert wachsen und riesige Nutzerzahlen und Datenmengen generieren konnten, um ihre KI-Algorithmen zu trainieren. Im Gegensatz zu westlichen Plattformen waren sie in China keiner nennenswerten Konkurrenz ausgesetzt.
Dieser "geschützte" chinesische Heimatmarkt ermöglichte den Plattformen, mit ihren Angeboten Nutzerbedürfnisse besser zu verstehen, ihre Geschäftsmodelle zu verfeinern und schließlich ihren Siegeszug im Westen anzutreten. Die so generierten zusätzlichen Daten aus dem Ausland verschaffen ihnen wiederum weitere Vorteile beim Training ihrer KI-Modelle. Es scheint sich ein sich selbst verstärkender Kreislauf in Gang gesetzt zu haben.
Noch kritischer könnte sich allerdings die Dominanz Chinas bei sicherheits- und überwachungsrelevanter KI-Anwendungen auswirken. Während der Marktzugang für Privatunternehmen wie TikTok durchaus kontrovers diskutiert wird, ist dies bei staatsnahen Akteuren wie Huawei noch intensiver der Fall.
Großer Erfolg bei Huawei
Huawei bietet digitale Infrastruktur und Überwachungstechnologie für Behörden und Unternehmen an. Angesichts der möglichen Einflussnahme der chinesischen Führung auf diese sensible Technologie wird der Konzern inzwischen von vielen westlichen Staaten vom 5G-Ausbau ausgeschlossen oder zumindest streng kontrolliert. Trotzdem - oder gerade deswegen - ist Huawei sehr erfolgreich und hat seine Exporte von Überwachungstechnologie in die Welt enorm gesteigert. Heute setzen über 80 Länder, darunter zahlreiche Autokratien, chinesische Überwachungssysteme ein. Dies wirft die Frage auf, ob Autokratien möglicherweise bessere Voraussetzungen für die Entwicklung dieser Art von KI-Systemen bieten.
Eine aktuelle Studie zeigt tatsächlich, dass Autokratien einen inhärenten Vorteil bei der Entwicklung von Überwachungstechnologien haben könnten. In Autokratien besteht naturgemäß ein großes Interesse an Technologien, die der Machtsicherung dienen. Dies schafft einen großen Absatzmarkt im Inland. Die daraus resultierenden Skaleneffekte ermöglichen es, die hohen Investitionskosten für die aufwändige Datenerfassung und Modellentwicklung rasch zu amortisieren.
Mehrere Gefahrenpotenziale
Gleichzeitig festigen diese Innovationen wiederum die Macht der Herrschenden und beschleunigen damit die Nachfrage nach eben solchen Technologien. Es scheint sich auch hier ein sich selbst verstärkender Kreislauf zwischen der autokratischen Staatsform und der innovationsgetriebenen Machtsicherung durch KI in Gang gesetzt zu haben. Für China ergibt sich daraus ein enormer Startvorteil beim Training seiner KI-Modelle, was sich in der Dominanz chinesischer Anbieter dieser Technologien im Export manifestiert. Länder mit ähnlichen politischen Systemen kaufen solche Lösungen lieber von China anstatt sie selbst zu entwickeln. Dies verschafft China wiederum Zugang zu immer mehr Trainingsdaten aus immer mehr Ländern und festigt so seine technologische Überlegenheit.
Gleichzeitig nutzt China diesen Wissensvorsprung aber auch in anderen Bereichen. Die Erkenntnisse bei der Gesichts- und Verhaltensanalyse von Personen mittels KI lassen sich beispielsweise auch auf Industrieroboter in der Fertigung übertragen und verbessern. China setzt bereits jetzt mehr Industrieroboter als der Rest der Welt zusammen ein - ein Markt, der in den nächsten Jahren massiv wachsen wird. Die Dominanz Chinas bei sicherheitsrelevanter KI birgt also gleich mehrere Gefahrenpotenziale: Zum einen könnte sie das Entstehen und die Festigung autoritärer Regime weltweit begünstigen. Zum anderen verschafft sie China auch in anderen Bereichen der KI-Forschung und Anwendung entscheidende Startvorteile gegenüber westlichen Demokratien. Es stellt sich daher die Frage, ob und wie westliche Staaten politisch und technologisch gegensteuern müssen, um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben und ihre Werte weltweit zu sichern. Ein schwieriges Unterfangen, dessen Erfolg keineswegs sicher ist.