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Zukunft des Innovationsmanagements
Dr. Reinhard Willfort Mittwoch, 16. Oktober 2024 von Dr. Reinhard Willfort

Warum Künstliche Intelligenz unser Wissens-Management revolutionieren kann

Zukunft des Innovations-Managements

Neues Wissen zu entwickeln, führt zu Ideen. Wenn Ideen umgesetzt und von der Zielgruppe angenommen werden, entstehen Innovationen. Der Strategiebericht von Mario Draghi für den europäischen Wirtschaftsraum adressiert exakt diese Thematik. Der Spruch „China produziert, USA innoviert und Europa reguliert“ kursiert schon einige Monate und bringt die aktuelle Wirtschaftssituation am Punkt. Dazu kommt, dass China nicht nur produziert, sondern inzwischen heftig innoviert. Der Staat investiert strategisch Milliardenbeträge. Mario Draghi fordert dies nun auch für Europa.

Als Innovationsmanager hat mich daher das Thema Wissensmanagement schon vor 25 Jahren interessiert. Zu diesem Zeitpunkt war Wissensmanagement auch für die Industrie bereits hochrelevant da die Wissensintensität in der Wertschöpfung enorm angestiegen ist. Als Forscher an der Technische Universität Graz hat ich damals die Möglichkeit das Thema weiter zu vertiefen, Modelle zu Methoden zu erdenken und mit Unternehmen zu diskutieren.

Gemeinsam mit Kollegen aus der Montanuniversität Leoben und der Universität Graz konnten wir im Jahr 2000 das Wissensmanagement Forum als interaktive Plattform für den Austausch zwischen Forschern und für die Reflexion mit der Industrie gründen. Seit dieser Zeit sind in unterschiedlichen Forscherrunden knapp 50 Dissertationen zu unterschiedlichen Schwerpunkten des Wissensmanagements entstanden. Daraus wurden regelmäßig Praxishandbücher für die Umsetzung von Theorien und Modellen in der Industrie zur Verfügung gestellt.

Persönliches Wissens-Management

Im Jahr 2000 waren wir in der Entwicklungsgeschichte des Wissens-Managements gerade in der Auslaufphase der "Wissensdokumentationsphase". Digitale Tools waren auch damals schon wichtig, aber meist war die Implementierung nicht sonderlich erfolgreich. Ich erinnere mich noch an den Hype, wo versucht wurde Wiki-Systeme als Strukturierungs- und Dokumentationstools einzuführen. In vielen Fällen war der Initiator des Systems der erste und zugleich letzte Autor im Tool. Um besser zu verstehen, warum KI-Tools eine höhere Wirksamkeit im Wissens-Management haben werden, möchte ich die Historie ab 1980 kurz zusammenfassen und einen Blick in die Zukunft wagen:

1980-2000 - Kodifizierungsstrategie: Mit der Verfügbarkeit von Computern stand das Dokumentenmanagement und die Dokumentation von Wissen als Wissensmanagementstrategie Nummer 1 im Fokus. Ziel vieler Unternehmen war es relevantes Wissen bestmöglich zu dokumentieren und damit unabhängig von den eigenen Mitarbeitern zu werden. Heute wissen wir, dass diese Strategie nicht funktioniert. Dokumente werden schnell alt und damit nicht mehr gelesen und das wertvolle "implizite Wissen" kommt darin nicht oder nur in Ansätzen vor.

2001-2010 - Personifizierungsstrategie: In dieser Periode wurde der Fokus des Wissens-Managements auf den Menschen gelegt. Diese Humanorientierung baut darauf, dass Wissen nur in den Köpfen von Menschen existiert und in Form von Erfahrungen und Fähigkeiten implizit an den Körper von Personen gebunden ist. Die Dokumentation von Wissen trat damit in den Hintergrund bleibt aber weiterhin im Fokus der IT-basierten Wissens-Managementsysteme. Der Mensch als Wissensarbeiter und wertvoller Wissensträger erreichte zu dieser Zeit auch erstmals die HR-Abteilungen in Unternehmen und fordert diese im Wissens-Management aktiv zu werden. Persönliches Wissens-Management kommt als neue Dimension dazu und liefert neue Ansätze zur Gestaltung von Wissensarbeitsplätzen und von Lernprozessen.

2011-2020 - Kollaborationsstrategie: Nach Groupware, Intranet und Web 2.0 kamen in dieser Phase zahlreiche Social Media Plattformen und kollaborative Tools für Unternehmen zum Einsatz. Auch wenn es in vielen Unternehmen nicht sofort erkannt wurde, sehe ich darin die logische Zusammenführung der zuvor beschriebenen Wissensstrategien. Dokumentation bekommt im Kontext der Kollaboration in Netzwerken eine neue Bedeutung und Qualität. Big Data, semantische Technologien und maschinelles Lernen liefern zum Beispiel neue IT-basierte Möglichkeiten im Wissens-Management.

Zu wissen, wer mit wem kollaboriert

"Der "Activity Stream" findet in viele Tools Einzug und liefert interessante Indikatoren, um Wissen sichtbar zu machen und gleichzeitig auch Persönlichkeitsprofile und Verhaltensmuster zu erkennen."

Dr. Reinhard Wiltfort

Neue Dimension durch KI

Seit 2021 - Wissens-Produktivitätsstrategie: Ob dieser Begriff die aktuelle Phase des Wissens-Managements ausreichend beschreibt, überlasse ich der weiteren Forschung und Diskussion in der Praxis. Die aktuelle Entwicklung des Wissens-Managements erfährt auf jeden Fall im Kontext des KI-Hypes eine neue Dynamik. Durch den wachsenden Markt an KI-Tools könnte Wissens-Management nach 2 Jahrzehnten Dornröschenschlaf wieder mehr Aufmerksamkeit bekommen.

Meine gewählte Bezeichnung "Wissensproduktivitätsstrategie" soll zum Ausdruck bringen, dass wir durch KI-Tools eine neue Dimension in der Entwicklung, Verteilung, Sicherung und Anwendung von Wissen bekommen werden. Treiber dafür wird vor allem die erhöhte Leistungsfähigkeit der IT und mächtiger KI-Wissensmodelle sein. ChatGPT hat dazu das "iPhone Momentum" geliefert. KI-basiertes Wissens-Management könnte durch personalisierte Assistenzsysteme für Menschen mehr Spielraum und Hilfestellung für den anspruchsvollen Teil der Wissensarbeit schaffen, insbesondere für die Kreation von neuem Wissen und von Lösungen.

Aktuelle Beispiele

  • Unterstützung von Brainstorming: Um auf Gedankensprünge und neue Ideen zu kommen, braucht unser Gehirn Reize, die von anderen Personen kommen können oder wie bei KI von einer Maschine die ihr hochvernetztes Wissensmodell einsetzt, um Inspirationen beim Menschen in Form von Text oder Bildern zu liefern. Damit kann die Entwicklung neuer Lösungen aus unterschiedlichen Wissensbereichen mit Inspiration versorgt werden. Der "geniale Kick im Kopf" sollte damit wahrscheinlicher werden, aber dieser wird weiterhin im Kopf von Menschen stattfinden.

  • Workplace Learning: Kontextspezifisches Lernen, genau zu dem Zeitpunkt wo das Wissen in der Arbeit gefragt ist, scheiterte bisher an Suchalgorithmen, fehlender IT-Performance oder veralteten Dokumenten. Mächtige KI-Wissensmodelle sind dazu nicht unbedingt erforderlich. Es reicht eine lokale KI-Lösung (oft Open Source) zu trainieren und mit unternehmensspezifischem Content zu füttern. Die Suche und Vernetzung von Experten ist über bereits etablierte Tools, wie zum Beispiel eine Innovationsplattform leichter möglich. Im Unterschied zu Wiki-Systemen muss damit aber kein neuer Content geschrieben werden. KI-Tools sind in der Lage Muster in vernetzten Daten zu erkennen und daraus "personalisierte Lernangebote" für User zu liefern.

Wer sich ausklinkt fällt zurück

"Angst vor Künstlicher Intelligenz werden vor allem Menschen und Unternehmen haben, die sich nicht mit der Materie auseinandersetzen."

Dr. Reinhard Wiltfort

Chance für den Arbeitsplatz der Zukunft

Nachdem die Wissensintensität in neuen Lösungen weiter ansteigt, ist es essenziell, für die Zukunft des Innovationsmanagements modernste Tools einzusetzen. Wissensarbeit rückt damit noch stärker in den Fokus und der gezielte Einsatz von Assistenzsystemen wird die Effizienz aber auch Effektivität dieser Jobs massiv beeinflussen. KI-Tools brauchen für deren Einsatz und Nutzung fundiertes Wissen über deren Einsatzgebiete, Plausibilität von Outputs und Wirksamkeit. Dieses Wissen muss in den Köpfen der MA aufgebaut werden, so wie bei jedem Technologiesprung Lernprozesse ausgelöst werden mussten, um diese sinnvoll einsetzen zu können.

Ein "staatlicher Schutz" durch Verbote von KI-Angeboten wird durch die globale Vernetzung schwer möglich sein. Wer sich ausklinkt, wird zurückfallen, weil die Innovationsgeschwindigkeit weiter ansteigen wird. Dazu war IT schon in den letzten Jahrzehnten einer der Haupttreiber. Bei KI wird die Technologie nochmals eine neue Dynamik liefern, die man auch als Chance für den Arbeitsplatz der Zukunft sehen kann. Ob diese neue Qualität an Wissens-Werkzeugen nun dazu führen wird, dass wir (wirklich) weniger arbeiten oder die Kluft zwischen den "KI-Nutzenden" und "KI-Skeptikern" größer wird, werden wir sehen und erfahren.

Wie steht es in ihrem Unternehmen mit dem Wissens-Management? Sind KI-Tools bereits im Einsatz und gibt es dazu positive Erfahrungen?


Unsere Gastautor

Dr. Reinhard Wiltfort

Dr. Reinhard Wiltfort

Dr. Reinhard Willfort ist Experte für die Digitalisierung von Innovationsprozessen. Er begann seine Karriere als Lehrling in der IT-Branche. Berufsbegleitend studierte er Telematik & Wirtschaft an der TU-Graz. 2001 gründete er auf Basis seiner Dissertation die Innovationsschmiede isn - innovation service network GmbH. Er begründete 6 weitere Unternehmen, ist Initiator des European Digital Innovation Hub „Crowd in Motion“ und betreut heute viele internationale Top-Unternehmen in Zukunftsfragen.

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