Transformation der Pharmaindustrie
KI als strategischer Imperativ
Die Integration von Künstlicher Intelligenz in die Pharmaindustrie hat das Potenzial, grundlegende Prozesse zu transformieren. Von der Entwicklung neuer Medikamente bis hin zur Optimierung von Produktionsabläufen zeigt sich, dass KI mehr als ein technisches Hilfsmittel ist – sie ist ein strategischer Hebel für Effizienz, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Der Druck, Medikamente schneller und kostengünstiger auf den Markt zu bringen, wird durch KI-Anwendungen spürbar gemindert. Unternehmen wie Boehringer Ingelheim machen vor, wie eine datengestützte Strategie Mehrwert schaffen kann, und liefern wertvolle Einsichten für mittelständische Unternehmen und große Konzerne gleichermaßen.
Die klassische Medikamentenentwicklung ist zeitaufwändig und teuer. Durchschnittlich dauern die Forschungs- und Entwicklungsphasen 10 bis 12 Jahre, mit Kosten von mehreren Milliarden Euro pro Medikament. KI kann diese Prozesse jedoch signifikant beschleunigen. Durch den Einsatz generativer Sprachmodelle und maschinelles Lernen werden potenzielle Wirkstoffe identifiziert, Molekülstrukturen simuliert und präklinische Studien effizienter gestaltet. Während in traditionellen Verfahren oft Millionen von Labortests durchgeführt werden müssen, kann KI mit Vorhersagemodellen die Auswahl relevanter Wirkstoffe eingrenzen. So konnte Boehringer Ingelheim beispielsweise die jährlichen Kosten für die Suche nach Antikörpern um 90 % senken und die Entwicklungszeit von zehn Jahren auf ein Jahr reduzieren. Diese Ansätze sind jedoch nicht nur auf große Pharmaunternehmen beschränkt. Mittelständische Unternehmen können durch Partnerschaften mit Technologieanbietern oder durch den Einsatz von standardisierten KI-Tools ähnliche Ergebnisse erzielen. Die Automatisierung von Datenanalysen oder der Einsatz cloudbasierter Plattformen für molekulare Simulationen sind dabei praktikable Optionen.
Die Wirksamkeit von KI steht und fällt mit der Qualität der zugrunde liegenden Daten. Ein durchdachtes Datenmanagement ist essenziell, um den Nutzen von KI vollständig auszuschöpfen. Das Beispiel von Boehringer Ingelheims „Dataland“ zeigt, wie ein umfassendes Datenökosystem strukturiert werden kann. Hier werden Daten aus Forschung, Produktion, Lieferketten, Finanzen und externen Quellen wie elektronischen Patientenakten integriert. Dies ermöglicht es dem Unternehmen, Prozesse über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zu optimieren. Ein solches Datenökosystem ist auch für mittelständische Unternehmen umsetzbar. Der Aufbau kann mit fokussierten Pilotprojekten beginnen, etwa der Integration von Produktions- und Vertriebsdaten, bevor schrittweise weitere Bereiche eingebunden werden. Der Einsatz von Plattformen, die eine einfache Datenvisualisierung und -analyse ermöglichen, ist ein erster Schritt, um datengetriebene Entscheidungen zu fördern.
Praktische Anwendungen von KI in der Produktion
In der pharmazeutischen Produktion zeigt sich das Potenzial von KI besonders deutlich. Digitale Zwillinge, also virtuelle Modelle von Produktionsanlagen oder Prozessen, bieten die Möglichkeit, Abläufe zu simulieren und zu optimieren, ohne physische Tests durchführen zu müssen. Ein Beispiel hierfür ist die Herstellung von Inhalatoren für Atemwegsmedikamente, bei der digitale Zwillinge die Eigenschaften des Produkts präzise vorhersagen können. Dies führte bei Boehringer Ingelheim zu einer Verkürzung der Durchlaufzeit um 30 % und jährlichen Einsparungen von 750.000 Euro.
Auch für den Mittelstand sind digitale Zwillinge ein Ansatz, um Produktionsprozesse effizienter zu gestalten. Ein solcher Schritt könnte in Zusammenarbeit mit Technologieanbietern oder Beratungsunternehmen umgesetzt werden, die auf die Integration dieser Technologien spezialisiert sind. Durch die Optimierung von Produktionsplänen, die Vorhersage potenzieller Fehlerquellen und eine verbesserte Qualitätskontrolle lassen sich signifikante Effizienzgewinne erzielen.
Ein weiterer zentraler Bereich, in dem KI große Fortschritte ermöglicht, ist die Durchführung klinischer Studien. Die Rekrutierung geeigneter Patienten ist traditionell ein zeit- und ressourcenintensiver Prozess. Mithilfe von KI können relevante Patientendaten schneller analysiert und passende medizinische Zentren identifiziert werden. Dies verkürzt die Dauer der Studien erheblich und ermöglicht eine präzisere Planung. Unternehmen, die mit der Implementierung solcher Systeme beginnen möchten, sollten sich auf die Entwicklung von Analysetools konzentrieren, die bereits bestehende Datenbanken effizient nutzen können. Das Ziel sollte dabei sein, bestehende Engpässe in der Patientenrekrutierung zu beseitigen und die Flexibilität der Studienplanung zu erhöhen.
Herausforderungen bei der Einführung von KI
Eine umfassende Studie von Strategy& hat gezeigt, dass die Pharmaindustrie durch KI bis 2030 zusätzliche Gewinne in Höhe von 250 Milliarden US-Dollar generieren könnte. Insbesondere die Bereiche Produktion, Forschung und Entwicklung sowie Vermarktung profitieren erheblich. Die strategische Nutzung von KI ermöglicht es, Kosten zu senken, Prozesse zu beschleunigen und die Produktqualität zu erhöhen. Unternehmen, die KI frühzeitig implementieren, können sich dadurch Wettbewerbsvorteile sichern und Marktanteile ausbauen. Für CEOs und Manager stellt sich die Frage, wie sie dieses Potenzial in ihren eigenen Unternehmen realisieren können. Die Investition in KI-Technologien sollte durch eine klare Kosten-Nutzen-Analyse begleitet werden. Es empfiehlt sich, Pilotprojekte in Bereichen mit hohem Optimierungspotenzial zu starten, um schnelle Erfolge zu erzielen und das Vertrauen in die Technologie innerhalb der Organisation zu stärken.
Technologische Fortschritte allein reichen nicht aus, um den Nutzen von KI vollständig zu realisieren. Mitarbeitende müssen die Fähigkeit entwickeln, datengetriebene Entscheidungen zu treffen und die neuen Systeme effizient zu nutzen. Boehringer Ingelheim hat dies mit einer firmeneigenen Data-Science-Akademie vorgemacht, in der über 5.000 Mitarbeitende geschult wurden. Diese Weiterbildung trägt nicht nur dazu bei, die Akzeptanz von KI zu erhöhen, sondern ermöglicht es den Unternehmen auch, intern Expert:innen auszubilden, die als Multiplikator:innen fungieren. Für mittelständische Unternehmen ist die Förderung von Datenkompetenzen ein entscheidender Schritt, um die Einführung von KI erfolgreich zu gestalten. Schulungsprogramme, die sich auf spezifische Anwendungen wie Datenanalyse oder maschinelles Lernen konzentrieren, können dabei helfen, Barrieren abzubauen.
Datenschutzbestimmungen, insbesondere im Hinblick auf die Verarbeitung sensibler Patientendaten, stellen hohe Anforderungen an Unternehmen. Darüber hinaus erfordert die Implementierung von KI erhebliche Investitionen in Infrastruktur und Personal. Mittelständische Unternehmen sollten sich daher auf den Aufbau von Partnerschaften mit spezialisierten Anbietern konzentrieren, um die Einstiegshürden zu senken. Ein weiterer Aspekt ist die Integration von KI in bestehende Systeme und Prozesse. Eine schrittweise Implementierung, die zunächst auf spezifische Anwendungsfälle abzielt, hat sich als erfolgversprechend erwiesen. Dies reduziert Risiken und ermöglicht es den Unternehmen, wertvolle Erfahrungen zu sammeln, bevor größere Investitionen getätigt werden.
Die Nutzung von KI in der Pharmaindustrie bietet weitreichende Chancen für Unternehmen, die ihre Prozesse modernisieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern möchten. Von der Entwicklung neuer Medikamente bis hin zur Optimierung von Produktionsabläufen zeigt sich, dass KI nicht nur ein Werkzeug, sondern ein strategischer Hebel für nachhaltigen Erfolg ist. Für CEOs und Manager bedeutet dies, dass eine klare Vision und ein strukturierter Ansatz erforderlich sind, um das Potenzial von KI vollständig auszuschöpfen. Der Fokus sollte dabei auf einer robusten Dateninfrastruktur, der Förderung von Datenkompetenzen und der schrittweisen Integration in bestehende Prozesse liegen. Mit der richtigen Strategie kann KI nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch Innovationen fördern und den Weg für zukünftiges Wachstum ebnen.