Bei Allgemeiner Künstlicher Intelligenz offenbaren sich Mißverständnisse
Der Elefant ist längst im Raum
Geht jetzt alles viel schneller? Ist AGI in Überschallgeschwindigkeit aus der weit entfernten Zukunft im Hier und Jetzt gelandet? Open AI Chef Sam Altman kommuniziert gerne und häufig. Sehr gerne zur Allgemeinen Künstlichen Intelligenz, kurz AGI. Dabei schwankt er zwischen Warnungen, Zukunftsvisionen und stolzen Ankündigen, daß sein Team wohl schon im Jahr 2025 entsprechende Lösungen präsentieren könne. Doch wie sind solche Einlassungen von Altman einzuordnen? Wie realistisch sind seine Visionen von völlig neuen Berufsfeldern und wen sollten die Ankündigungen wachrütteln?
Ausgangslage ist, daß die Allgemeine Künstliche Intelligenz im Kern aller wissenschaftlichen Anstrengungen und philosophischen wie ethischen Überlegungen zu Maschinen ist, die sich von der Rolle des Werkzeugs lösen, menschenähnliche Intelligenz erlangen oder gar übertreffen. Es ist sicherlich nicht despektierlich festzuhalten, daß sich viele Jahrzehnte an KI-Forschung und noch viel mehr Jahre an philosophischen Überlegungen zur Künstlichen Intelligenz nicht um das gedreht haben, was derzeit im Scheinwerferlicht der breiten Sichtbarkeit steht: Das Generieren von Texten, Bildern oder Videos, das Zusammenfassen von Meeting-Protokollen oder gar die "intelligente" Steuerung von Zahnbürsten, Eierkochern, Pizzaöfen oder Staubsaugern.
Die Allgemeine Künstliche Intelligenz ist sicherlich auch eine Definitionsfrage. Vor allem aber eine ethische und rechtliche Herausforderung für Gesellschaften. Für uns Menschen. Das derzeitige Innovationstempo der KI-Entwicklungen läßt kaum Zweifel aufkommen, daß AGI technologisch greifbar ist – wenn wir sie zulassen und sich Geld damit verdienen läßt. Immer wieder sprechen Experten von einer "angezogenen Handbremse", denn noch ist vieles unklar. In Kino-Thrillern und TV-Krimi-Serien übernimmt die AGI eine sehr dystopische Rolle, entzieht sich der menschlichen Kontrolle und stellt eine Bedrohung dar. Der Zuschauer fiebert mit Agent Ethan Hunt, alias Tom Cruise, wie er die "Entität" wieder unter Kontrolle bekommen will und wägt sich doch in einem sehr futuristischen Kino-Plot. Könnte das ein großer Irrtum sein? Sind die Hollywood-Drehbücher vielleicht sehr viel näher an unserer KI-Realität als so manches smartes Technik-Gimmick, das sich derzeit poserisch mit dem Label "AI powered" brüstet?
Generative KI ist lediglich die Eisberg-Spitze
Wenn wir uns die Künstliche Intelligenz als Eisberg vorstellen, der bis tief unter die Wasseroberfläche reicht, dann ist die Generative KI lediglich die Eisberg-Spitze – so faszinierend deren kreative Fähigkeiten auf den ersten Blick erscheinen und natürlich auch sind. Grundsätzlich unterscheidet man in der Wissenschaft zwischen Narrow AI, Strong AI und Super Intelligence. Diese "Super Intelligence", also eine potenziell autarke und dem Menschen sogar überlegene KI -mit Bewusstsein und evolutionären Algorithmen- ist der berühmte Elefant im Raum, der auch philosophische Überlegungen zur Rolle von Mensch und Maschine bestimmt. Hier gibt es zu Recht viele ethische und rechtliche Vorbehalte. Oft wird Super Intelligence auch mit AGI gleichgesetzt, die Definitions-Grenzen verschwimmen.
Wenn wir also nicht sehenden Auges etwas entwickeln, dass derzeit eindeutig gegen allgemeines Rechtsverständnis und gesellschaftliche Grundlagen, fast überall auf der Welt, verstößt, dann gibt es da noch Unterschiede. Dann emanzipiert sich die AGI zwar vom reinen Werkzeug zum vollwertigen Kollegen, aber die Verantwortung bleibt immer noch beim Menschen. Auch hier wird sich die KI menschenähnliche Intelligenz zum Vorbild nehmen und mit Hilfe von Neurowissenschaft intellektuelle Leistungen auf vielen Gebieten erlangen. Das ist keine Weiterentwicklung von Generativer KI, sondern eine eigene Disziplin. Eine Technologie, die dann wirklich den Begriff "Intelligenz" verdient.
2025 ist das Jahr, in dem sich Unternehmen und Bürger mit der ersten umfassenden Regulierung Künstlicher Intelligenz befassen müssen, dem EU AI Act. Doch wenn wir beim Bild des Eisbergs bleiben, so befasst sich auch dieses europäische Gesetz erst einmal schwerpunktmäßig mit dem derzeit sichtbaren Teil der KI. Die Regulierung basiert auf Risikoklassen und dreht sich vor allem um Gesundheit, Sicherheit und Grundrechte der Bürger. Entgegen den oft gehörten kritischen Stimmen, dass KI-Regulierung den Standort Europa schwächen würde, zeigt ein genauer Blick, daß eigentlich das Gegenteil der Fall ist. Der EU AI Act sorgt für mehr Rechtssicherheit. Angesichts des hochdynamischen Themas und einer globalen Technologie ist dies nur der Anfang von einer Reihe notwendiger Ergänzungen, Konkretisierungen, Neufassungen und Harmonisierungen von Rechtsbestimmungen, in Deutschland, Europa und weltweit. Genauso wichtig erscheint aber auch ein politisch moderierter, gesellschaftlicher Dialog für ein gemeinsames Verständnis unseres künftigen Lebens mit der Künstlichen Intelligenz.
Dieser Dialog ist seit Jahren überfällig und das wird bedrohlich, wenn technologisch eine Allgemeine Künstliche Intelligenz, potentiell sogar eine Super Intelligence vor der Tür steht, wir aber agieren, als ob die regelmäßige Nutzung von ChatGPT, Co-Pilot und Co. schon bedeutet, dass wir einen Plan für die Zukunft unseres Berufs- und Alltagslebens haben und "ki-ready" sind. Stolze Technologie-Nationen, die sich souverän die Möglichkeiten der Technologie zu Nutzen machen – zum Wohle der Menschen. Doch diese Illusion trügt und wir erleben eine gewaltige Diskrepanz zwischen den visionären Gedankenspielen von KI-Vordenkern und Machern wie Sam Altman und den notwendigen Gestaltungsplänen für unsere Gesellschaft.
Transformative Technologie müssen allen zugute kommen
Sam Altman spricht gerne vor Studenten und viele seiner Impulse machen klar, dass sich vor allem das Bildungssystem auf die Allgemeine Künstliche Intelligenz einrichten muss. Das beginnt natürlich schon in der Schule. Es geht nicht primär um Geld, um Internet-Router, PCs und Tablets in den Bildungseinrichtungen, sondern um die Rolle der Lehrer und Dozenten. Und um die Regeln für den Einsatz Künstlicher Intelligenz bei Lernen. Genauso stellt sich aber auch die Frage, ob Künstliche Intelligenz bei Prüfungen und Leistungsnachweisen unser völlig normales Werkzeug wird oder als Täuschungsversuch gilt. Im größeren Stil weitergedacht, und genau diesen Impuls geben uns Vordenker wie Sam Altman oder KI-Ethiker, ändert sich die Rolle der Lehrer schrittweise weg von der Wissensvermittlung hin zu einem Sparringspartner, der vornehmlich Lernenden den "Human Touch" vermittelt und dafür sorgt, dass die immer leistungsfähigere, immer intelligentere KI von uns Menschen weiterhin auf der Basis von menschlichen, ethischen Werten genutzt wird. Und dass die KI-Ergebnisse aller Art nicht unkritisch übernommen, sondern einsortiert werden.
AGI kann im Bildungswesen, gerade auch zur Chancengleichgeit und einem barrierefreien Zugang zu Wissen, eine wertvolle und bald selbstverständliche Rolle übernehmen. Sie soll und darf aber nicht zu Lasten von Werten und Ethik gehen und macht menschliche Lehrer und Dozenten keineswegs überflüssig. Deren Aufgabe wir immer stärker, als Begleiter, junge Menschen auf Ihr Berufsleben mit Künstlicher Intelligenz und neuen beruflichen Skills vorzubereiten. Der Digitalstratege Daniel Fitzpatrick springt Sam Altman bei und spricht von "Pädagogen als die Architekten der Zukunft": Sie müssten KI als Lernpartner akzeptieren, die Fähigkeiten und Werte fördern, die die Schüler durch unbekannte Gewässer führen, und "sicherstellen, dass die Vorteile dieser transformativen Technologie allen zugute kommen.
Die Allgemeine Künstliche Intelligenz, die künftig in Unternehmen die Rolle vollwertiger Teammitglieder oder ganzer Abteilungen und Disziplinen übernehmen wird, ist kein Science Fiction, sondern ein Wettbewerbsfaktor, der schon bald erfolgskritisch sein wird. Unternehmen werden sich dem schwerlich entziehen können. Vielmehr werden diejenigen, die zu spät an einer eigenen, langfristigen und ganzheitlichen KI-Strategie arbeiten, in ihrer Existenz bedroht werden. Konzerne und der Mittelstand schneller, Kleinunternehmer etwas später ebenfalls. Der reine Einsatz von Generativer KI wird in den meisten Fällen nicht mehr genügen. Folgt man dieser Prognose, diesem Appell von KI Experten, stellt sich natürlich die Frage nach Arbeitsplätzen und dem Unterhalt breiter Beschäftigtengruppen. Menschen, die sich Gedanken um den eigenen Arbeitsplatz in KI-Zeiten oder die berufliche Zukunft ihrer Kinder machen, sind ebenso wie viele Freiberufler gut beraten, nicht auf die altbekannten Talkshow-Floskeln der Politik zu hören, dass der technologische Fortschritt automatisch neue attraktive Berufsfelder und Arbeitsplätze schafft, für die man lediglich Fortbildungen oder Umschulungen brauche.
Die nüchterne Wahrheit ist, dass eine große Zahl geringer qualifizierter oder monothematischer spezialisierter Aufgaben künftig en bloc von der KI übernommen wird. AGI übernimmt zusätzlich noch wesentlich umfassendere Aufgaben bis hin zu geschäftskritischen und sensiblen Entscheidungen – abhängig davon wo wir als Gesellschaft die Grenzen setzen und die KI weiterhin in die Rolle des Werkzeugs verweisen. Solange wir hier keinen „Dammbruch“ sehen, wird es immer Jobs geben für Menschen, die Verantwortung tragen. Die schlechte Nachricht ist die, dass vor allem die Jobs mit wenig Entscheidungs- und Verantwortungsspielraum als Erste gefährdet sind.
Gesellschaftliche KI-Visionen sind nicht Aufgabe von Unternehmen
Die Künstliche Intelligenz, auch künftig verstärkt in Kombination mit Robotik, ist nahezu unermüdlich, und arbeitet mit großem Fleiß und hoher Geschwindigkeit. Hinzu kommt immer mehr die Fähigkeit auch situativ zu reagieren, mehrere Perspektiven zu berücksichtigen und auch vorausschauend zu agieren. Die, menschenähnliche, Allgemeine Künstliche Intelligenz, oder gar die potentiell dem Menschen überlegene Super Intelligence ist Chance und Risiko zugleich. Es liegt auch an uns. Fakt ist: Noch fehlt die breite gesellschaftliche Verständigung über unsere Zukunft mit der KI und daher ist nicht die Technologie der limitierende Faktor, sondern ungeklärte gesellschafts-ethische Fragen wirken -noch- wie eine Handbremse. Selbst mit dem empfohlenen optimistischen und technologieoffenen Blick in die Zukunft sollte klar sein, dass die KI sich in vielen beruflichen und gesellschaftlichen Bereichen noch wesentlich schneller und wesentlich umfassender disruptiv auswirken wird. Seit vielen Jahren werden im Kontext der Forschung an der Künstlichen Intelligenz auch Gedankenspiele zum bedingungslosen Grundeinkommen diskutiert. Davon sind wir in der konkreten politischen Debatte vermutlich deutlich weiter entfernt als Entwickler wie Open AI von der AGI. Wir werden es uns aber nicht leisten können, keine gesellschaftliche KI-Vision zu entwickeln. Staatliche Förderungen von KI-Professuren und Startups ersetzen nicht den Zukunftsplan. Und ein solche Plan ist nicht Aufgabe der KI-Unternehmen. Und auch die Regulierung ersetzt nicht das Bestreben als Politik endlich technologisch wieder vor die Bugwelle zu kommen.
Es ist schon bemerkenswert, wenn die technologischen Treiber wie Sam Altman sich in ihren Vorträgen, Interviews und Beiträgen mehr gesellschafts-ethische Gedanken rund um die KI machen als Regierungen. Diese Stichworte und Gedanken sollten aufgegriffen und in einen wirklichen, visionären Zukunfts-Dialog mit den Bürgern überführt werden. Und wir sollten uns nicht täuschen: Bei aller Reflektiertheit und Fachexpertise sind die CEOs der Tech-Giganten nicht die geeigneten Gestalter einer fairen und auskömmlichen Arbeitswelt für die Menschen. Ihre Technologie ist ein Angebot, dass ein Segen sein kann – aber auch, ohne geeignete Leitplanken und Werte, zum Konkurrenten und Risiko. Die Politik braucht auch weniger weitere Beiräte, die ihnen technologische Trends erläutert und sie bei Entscheidungen auf Sicht berät. Überfällig ist sind bei solchen technologischen und gesellschaftlichen Revolutionen langfristige Masterpläne, die unabhängig von Wahlen und opportunistischen föderalen Interessen sind. Wir als Gesellschaft müssen unsere Zukunft modellieren, deren Umsetzung die Technologie unterstützen soll. Derzeit befinden sich aber die KI-Entwickler auf der Ultra-Fast-Lange und geben Tempo und Richtung vor, beleben die Fachdebatte und ziehen sogar manchmal selbst die Handbremse oder werfen ethische Fragen auf. Denn auch sie spüren das teilweise Vakuum fehlender politischer KI-Visionen, gerade in Industrieländern, und noch nicht international harmonisierte und aktualisierte Rechtsrahmen.
Gerade die oft von uns gescholtenen oder unterschätzten Länder wie China oder die Emirate wie Dubai haben solche Visionen und Pläne und beschäftigen sich längst mit dem Eisberg unter der Wasseroberfläche. Auch dort mag es an einer offenen, breiten gesellschaftlichen Debatte fehlen. Aber, allen Vorurteilen zum Trotz, wird dort deutlich offensiver seitens der Regierungen über Pläne, Paradigmen für die gesellschaftliche Durchdringung und die Rolle der KI-Technologie kommuniziert. Unsere Pläne, in Deutschland oder Europa, ein führender Entwicklungs- und Innovationsstandort für KI zu sein ist nicht in erster Linie unrealistisch. Da dürfen uns nicht zusätzlich klein machen und schlecht reden. Nein, was fehlt sind die Zukunftsvisionen für den Einsatz der Technologie, quer durch alle unternehmerischen und gesellschaftlichen Bereiche. Auch das ist nicht die Aufgabe von Startups, sondern von Regierungen. Die derzeit dominierenden Wahlkampfbotschaften zur anstehenden Bundestagswahl sind im Hinblick auf die Künstliche Intelligenz wiederum recht holzschnittartig und unterkomplex. Die Herausforderungen sind um so größer. 2025 wird unser wieder eine faszinierende Achterbahnfahrt von KI-Innovationen bescheren. Hoffentlich auch eine echte, konstruktive Debatte zu einer schulterübergreifend getragenen Vision für eine überwiegend positive Zukunft mit der KI, auf die wir uns nachkommende Generationen sich freuen können.
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